Angesichts der aktuellen Situation im Nahen Osten haben auch wir im Vorstand uns Gedanken gemacht, die wir mit Euch teilen möchten:
Durch persönliche Begegnungen, die vom Freundeskreis initiiert und organisiert wurden, sind in über vier Jahrzehnten Freundschaften zwischen Wiehlern und Jokneamern entstanden, haben wir hier in Wiehl einen Bezug zur Identität der israelischen Freunde, zu ihrer Geschichte und ihrem Leben in Israel entwickelt. Lest dazu bitte auch die an das Schreiben folgenden Ausführungen eines im Vorstand aktiven Mitglieds. Nicht erst seit dem 7. Oktober, seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel sind die Bürgerinnen und Bürger unserer israelischen Partnerstadt und ganz Israels – acht Jahrzehnte nach der Shoah – wieder existenziell bedroht, von vielen Seiten bedrängt und mit Israelhass konfrontiert. Dabei stehen viele von ihnen ihrer derzeitigen Regierung sehr kritisch gegenüber und äußern ihre Kritik auch.
Wir bitten Euch, den Kontakt zu unseren israelischen Freunden zu halten, nach Möglichkeit sogar zu intensivieren und die in vieler Hinsicht berechtigte Kritik an der israelischen Regierung und ihrer Art der Kriegsführung nicht pauschal auf unsere Freunde in Jokneam und erst recht nicht auf unsere jüdischen Mitbürger in Deutschland zu übertragen und diese in Geiselhaft für die Fehler der israelischen Regierung zu nehmen.
Denn seit dem Ausbruch des Gazakriegs, der durch das Massaker der Hamas ausgelöst wurde, hat der Antisemitismus in Deutschland und weltweit sprunghaft zugenommen und eine brandgefährliche Dimension erreicht: der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle bezeichnet ihn in der Ausgabe der FAZ vom 14.08.2025 als „loderndes Feuer“. Er beklagt, dass in unserem Land wieder Menschen verfolgt werden, weil sie Juden sind und dass der Judenhass jetzt in der Mitte der Gesellschaft angelangt ist.
Der Vorstand des Freundeskreis Wiehl/Jokneam wird auch zukünftig Initiativen unterstützen, die dem Frieden im Nahen Osten dienen und er wird sich weiterhin aktiv gegen Antisemitismus einsetzen. In diesem Sinne hoffen wir auf Eure Unterstützung!
Herzliche Grüße und Schalom!
Im Namen des Vorstands
Judith Dürr-Steinhart
Warum bin ich Mitglied im Freundeskreis Wiehl-Jokneam geworden? Warum bin ich es immer noch?
Seit 2014 bin ich Mitglied im Freundeskreis Wiehl-Jokneam, da ich an Begegnungen mit Menschen aus Israel interessiert war und bin. Das Judentum, die Judenverfolgung im Dritten Reich, Zeitzeugenberichte und Erinnerungskultur, das Land Israel und der Nahostkonflikt, die Fragen von Schuld und Verantwortung beschäftigen mich als Deutsche seit Jugendalter immer wieder.
Die Ziele des Vereins sprachen mich an, u.a. „die Verständigung zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volk durch Austausch und Begegnung auf kultureller und zwischenmenschlicher Ebene in enger Kooperation mit der Stadt Wiehl.“ Ich fand es gut, dass der Verein 2013 als Referentin Faten Mukarker einlud, die als palästinensische Christin in Beit Jala bei Bethlehem lebt und ihr Buch „Leben zwischen Grenzen – eine christliche Palästinenserin berichtet“ vorstellte.
Im Jahr 2019 bin ich mit einer Gruppe unter der Leitung von Gerhard und Iris Hermann nach Jokneam/Israel gefahren. Wir bekamen auch die Möglichkeit, zwei Nächte im Bildungszentrum mit Gästehaus Talitha Kumi in Beit Jala zu verbringen und Faten Mukarker kennenzulernen. Momentan sind alle deutschen Lehrerinnen und Lehrer ausgereist. Auch die Zahl der Gästegruppen ist massiv gesunken. Für die Menschen dort eine mehr als schwierige Zeit. (Tipp: Artikel „Schritt für Schritt gehen – Die Hotelfachschule und das Gästehaus von Talitha Kumi arbeiten unter maximaler Planungsunsicherheit“ aus der Zeitschrift „Im Lande der Bibel 2/2025“ vom Berliner Missionswerk und Jerusalemverein.)
Während der Begegnungsreise 2019 war ich in einer Familie in Jokneam zu Gast, die mich wunderbar aufnahm: weltoffen, herzlich, ganz ohne Vorbehalte. Ich bekam einen Einblick in ihre Art zu leben, nahm an einer familiären Schabbat-Feier teil, sah die Vorbereitungen auf das Laubhüttenfest und erlebte den großen Stellenwert von Familie und Freunden hautnah mit.
L’chaim – auf das Leben! Ein Trinkspruch, der mich seitdem begleitet!
Leider waren meine Gastgeber im Sommer 2023 nicht bei uns zum Gegenbesuch. Immer wieder gibt es seitdem kurze Kontakte über E-Mail oder WhatsApp. Dann der Einschnitt! Seit dem 7. Oktober 2023 – dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel – haben diese Kontakte den Sinn, den Freunden zu versichern, dass wir an sie denken, auf die Freilassung der Geiseln hoffen und uns Frieden für die Region wünschen.
Mit Sorge sehe ich auf die verfahrene Situation und den verwüsteten Gazastreifen, in dem man sich ein Weiterleben nicht vorstellen kann. Die Nachrichtenbilder mit hungernden palästinensischen Kindern sind kaum auszuhalten. Im Fernsehen sehe ich aber auch Bilder von demonstrierenden Israelis in Tel Aviv, die für die Freilassung der Geiseln und eine Beendigung des Krieges eintreten. Einige Mitglieder unseres Vereins besuchten vor kurzem die Kölner Synagoge und aßen im koscheren Restaurant. Außen an der Synagoge hängt ein riesiges Banner, um an die Geiseln und ihr Schicksal zu erinnern: Bring them home now! Darunter die Fotos der Entführten und Blumenkübel als Zeichen der Solidarität und Anteilnahme. Als unsere Gruppe dort stand, fuhr ein Auto vorbei, ließ im Vorbeifahren die Scheibe hinunter und rief „Free Palestine!“ zu uns hinüber.
So schnell gerät man in ein Spannungsfeld.
Meine Gefühle schwanken zwischen Hilflosigkeit, Mitgefühl, Wut, Sehnsucht nach Frieden und Heimat für die traumatisierten Menschen auf beiden Seiten. Ich wünsche mir, dass alle Kinder ohne Angst, satt und sicher schlafen gehen können. Eine unbeschwerte Kindheit sieht anders aus. Und die Angst wird immer größer: Wohin führt das noch? Was passiert, wenn diese Kinder erwachsen sind? Welche Perspektive haben sie?
Um nicht selbst zu verzweifeln, konzentriere ich mich auf meinen kleinen Handlungsspielraum. Ich schaue, wo kann ich etwas tun. Ich darf Fragen zur Zielsetzung der israelischen Politik stellen. Ich darf mich informieren und nach Positionen suchen.
Antworten habe ich nicht.
Ich selbst bin keine Politikerin. Ich bin eine Wiehlerin, die sich den Menschen, die sie in Jokneam kennenlernen durfte, verbunden fühlt. Diese Verbundenheit möchte ich gerade auch in schweren Zeiten mit meiner Mitgliedschaft ausdrücken und aufrechterhalten.
(Petra Jacob)