Israel – von innen betrachtet
Dr. Heinrich Bartel aus Bonn referierte am 13.03.06 vor dem Freundeskreis Wiehl/Jokneam
Man kann wohl davon ausgehen, dass es der
politische Außendruck gewesen ist und auch weiter sein wird, dem das Überleben
des Staates Israel von 1948 bis heute zugeschrieben werden muss. Dr. Heinrich
Bartel von der Bundeszentrale für politische Bildung und Mitglied der
Deutsch-Israelischen Gesellschaft Bonn konnte vor dem Freundeskreis
Wiehl/Jokneam in der Wiehler Sparkasse überzeugend darlegen, welche Vielfalt in
diesem Staat wirksam ist.
Der Vorsitzende des Freundeskreises, Gerhard Hermann, begrüßte eine sehr
interessierte Zuhörerschaft, die zu einem Teil nur informiert werden wollte. Der
andere Teil will vom 8. bis 22. April 2006 die Wiehler Partnerstadt in Israel
besuchen. Der Vortrag sollte auf das Reiseerlebnis vorbereiten.
Bartels Vortrag orientierte sich an drei Grundaussagen: 1. Israel wurde von
seinen Gründern als „europäischer“ Staat gegründet; 2. Israel wurde als
säkularer – weltlicher – Staat gegründet; 3. Israel wurde als sozialistischer
Staat gegründet.
Als David Ben Gurion, ein aus Polen kommender Jude, am 14. Mai 1948 die
Unabhängigkeit Israels verkündete, gab es unter den rd. 600.000 Juden nur eine
geringe Zahl von Glaubensjuden, denen die Weisungen der Thora Lebensinhalt
waren. Diese Minderheit, so glaubte man, musste nicht besonders beachtet werden.
Von daher gewährte man ihr z.B. das Recht, keinen Militärdienst machen zu
müssen. Heute, so der Referent, ist das ein Riesenproblem in Israel; denn die
Zahl derer, die Thora-treu leben wollen, ist erheblich gewachsen, ihr Recht, den
Militärdienst verweigern zu können, aber geblieben. So wie Ben Gurion waren die
meisten der damals in Israel lebenden Juden aus der Sowjetunion und aus Polen
eingewandert. Ihnen war europäische Lebensart vertraut. Und so sollte auch ihr
Staat sein.
In diesem Staat sollten keine religiösen Zwänge herrschen. So setzte Ben Gurion
durch, dass in die Unabhängigkeitserklärung kein Gottesbezug aufgenommen wurde.
Einige Zugeständnisse, wie den Sabbat als freien Wochentag oder die koschere
Küche beim Militär und anderen öffentlichen Einrichtungen, machte man. Aber
ansonsten wollte man mit europäischen Staaten vergleichbar sein. Man konnte sich
jedoch nicht auf eine Verfassung und ein einheitliches Recht einigen. So musste
das Familienrecht den Rabbinern überlassen werden. Im Übrigen ließ man das von
den Engländern in der Mandatszeit angewandte Recht weiter gelten.
Vor allem die aus der Sowjetunion eingewanderten Juden waren Träger
sozialistischer Ideen. Sie gründeten die Gemeinschaftssiedlungen, die Kibbuzim,
die die Grundversorgung ihrer Mitglieder, deren Ausbildung, deren Absicherung im
Krankheitsfall und deren Altersversorgung übernahmen. Und jeder Kibbuz war die
kleinste Verteidigungszelle vor Ort. Im Kibbuz leistete jeder, was ihm zu
leisten möglich war und bekam dafür alles, was er zum Leben benötigte. Ohne die
Kibbuzim wäre das Werden des Staates Israel nicht erklärbar. Die heute noch
bestehenden Kibbuzim sind in einem dauernden Diskussionsprozess, was sie vom
ursprünglichen sozialistischen Ansatz noch halten können und was verändert
werden muss.
Heinrich Bartel erwies sich für die Gesamtdarstellung der Problematik als
profunder Kenner und als ein sehr eloquenter Darsteller. Er sei gern nach Wiehl
gekommen, so sagte er, und würde sich auch über weitere Einladungen freuen.
Gehöre doch Wiehl mangels eigener Deutsch-Israelischer Gesellschaft so quasi zur
Parochie (Kirchspiel, Pfarrbezirk) der Bonner Gesellschaft.
Wilfried Hahn 14. März 2006